Ein unglaublicher Fund!
Ein Mitglied das seit 55 Jahren im Radsport im RKB aktiv ist und als weiteres Hobby die Philatelie hat, ist durch Zufall bei einer Briefmarken-Auktion auf Briefmarken des RKB- bzw. ARB-Solidarität gestoßen. Ihm war bisher – wie wahrscheinlich den meisten (oder allen) Verbandsmitgliedern – nicht bekannt, dass es Briefmarken mit dem Logo der Solidarität gab!
Er hat dann auch den in der Anlage gezeigten Briefmarkensatz ersteigern können:
Erstaunlicherweise gab es eine Reihe von Interessenten, die bereit waren, bis zum Vierfachen des üblichen Preises ähnlicher Marken zu bezahlen. Da der (holländische) Auktionator diese Briefmarken selbst weder kannte noch korrekt zuordnen konnte (bezeichnet als „Saalgau“, gemeint war wohl „Saulgau“) gibt es wohl mehrere Philatelisten, die trotzdem diese Marken unserem Verband zuordnen konnten.
Diese Briefmarken sind – wie viele andere auch – in keinem Ihm bekannten Briefmarken-Katalog aufgeführt. Deshalb konnte er hierzu nur Mutmaßungen basierend auf anderen Unterlagen anstellen:
Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 wurde zunächst für einige Wochen jeglicher privater Postverkehr eingestellt. Mit der Wiederaufnahme des Postverkehrs gab es aber noch keine neuen Briefmarken der sowjetischen, britischen, amerikanischen und französischen Besatzer. So musste man für einige Monate improvisieren. Massenhaft verfügbar waren jedoch noch die Marken des Deutschen Reiches und hierbei insbesondere die Dauermarken mit dem Abbild von Adolf Hitler. Diese wollte man natürlich nicht mehr unverändert verwenden. Deshalb wurden insbesondere die Hitler-Dauermarken in verschiedener Weise überdruckt, so dass das Hitler-Abbild nicht mehr zu erkennen war. Sehr bekannt sind hierbei die sogenannten „Sächsischen Schwärzungen“, wo in ca. 250 Postämtern in Sachsen ca. 250 verschiedene „Schwärzungen“ aufgedruckt wurden.
In vielen Orten der Besatzungszonen wurden ab Mitte 1945 eigenständig neue Briefmarken gestaltet und gedruckt („Deutsche Lokalausgaben ab 1945“). Teilweise wurden auch auf private Initiative lokale Briefmarken gestaltet, sogenannte „Nichtamtliche Ausgaben“, die von den Besatzungsbehörden anschließend offiziell anerkannt (oder toleriert) wurden – oder auch nicht.
In der französischen Besatzungszone (also in Südwestdeutschland) gibt es eine Reihe von Hitlermarken, die mit Orts- oder Regionsnamen überdruckt wurden (Saulgau, Ravensburg, Sigmaringen, Stuttgart, Westerstede etc.). Interessant ist, dass sogar in den von Hitler befreiten Ländern regional ähnlich überdruckte Hitlermarken verwendet wurden, insbesondere in Frankreich (Elsass, Colmar, Forbach etc.), in Polen (Poznan, Gdansk, Ostroleka, Losice, Blonie, Kolberg etc.) und in der Tschechoslowakei (Rumburk, Cheb-Bamberg, Cernosin etc.).
Bekanntlich wurde unser Radsportverband Solidarität im dritten Reich verboten und musste in den Untergrund ausweichen. Für das Naziregime gab es dann nur noch einen einzigen deutschen Radsportverband, den BDR, der so auch nach dem Krieg günstige Startchancen hatte. Die Briefmarken des ARB- (bzw. RKB-) Solidarität müssen Mitte 1945 entstanden sein. Als Sportverband war man eigentlich nicht befugt, selbst Briefmarken herauszugeben, der Staat bzw. die Alliierten hatten ja die Posthoheit. Möglicherweise waren die Alliierten aber aufgrund des ARB-Verbotes durch die Nazis ausnahmsweise bereit, dem Radsportverband Solidarität das Recht zur Ausgabe von eigenen überdruckten Briefmarken (zum Eigenbedarf?) zu gewähren. Wahrscheinlich waren diese bis Frühjahr 1946 in Gebrauch. Vielleicht hat ja noch ein Verein oder ein Mitglied einen gelaufenen Brief mit einer abgestempelten Marke mit dem Solidaritäts-Überdruck?
Kurios ist, dass der Verband ARB-Solidarität Briefmarken mit dem Portrait von Hitler, der ja vorher diesen Radsportverband verboten hatte, verwendet hat – sicherlich mangels Alternativen. Genauso kurios ist, dass auch die von Hitler überfallenen Länder wie die Tschechoslowakei, Polen und Frankreich genauso verfuhren.
Ab dem Frühjahr 1946 wurden dann die neuen Briefmarken der Alliierten in Deutschland bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 verwendet.