Klaus Wilbert

Der Radsportverein RMSV „Frisch auf“ Düsseldorf e. V. feierte sein 125-jähriges Vereinsjubiläum

Pressemitteilung:

Auch abseits der großen Düsseldorfer Vereine Fortuna oder DEG wird in der Landeshauptstadt großer Sport betrieben: Der RMSV ist der einzige Düsseldorfer Verein, der Hallenradsport betreibt und bietet dabei neben Radball und Kunstradfahren auch Einradfahren an, und das sehr erfolgreich, wie vier Weltmeistertitel und mehr als 30 Deutsche Meistertitel in allen drei Sportarten beweisen.

Zum 125jährigen Bestehen hat der Verein ein internationales Radballturnier veranstaltet und hierfür nationale und internationale Spitzenmannschaften eingeladen. Nach der verletzungsbedingten Absage des Teams aus Tschechien kamen ersatzweise die belgischen Meister aus Genk zum Einsatz, die sich mit der französischen Mannschaft aus Dorlisheim im Elsass und den deutschen Paarungen aus Schiefbahn, Ginsheim und Kemnat auseinandersetzten. Gewonnen hat das Turnier das Team aus dem benachbarten Schiefbahn, aktuell eine der drei besten Mannschaften in Deutschland. Sie nahmen sie auch den von der Bezirksverwaltung 03 gestifteten Wanderpokal mit nach Hause. Sven Kühn mit Axel Kirner vom RMSV konnten in diesem illustren Teilnehmerfeld erwartungsgemäß nicht ganz mithalten, dafür hat der Veranstalter seinen Jubiläumsgästen aber Spitzenradball vom Feinsten geboten.

Zum Beginn der Veranstaltung begrüßte der Vereinsvorsitzende Stefan Kühn Frau Britta Zur als Dezernentin für Sport in Vertretung von OB Dr. Stefan Keller, den Präsidenten des Stadtsportbundes Peter Schwabe, den Bezirksbürgermeister und Vorsitzenden der Bezirksverwaltung 03 Dietmar Wolf und den Präsidenten des nationalen Radsportverbandes RKB Solidarität, Bernd Schwinn.

Zwischen den Radballspielen zeigten die Sportler des RMSV auch in den anderen Radsportsdisziplinen ihr Können: Magnus Friemel, ehemals Landesmeister dieser Sportart, präsentierte auf dem Kunstrad eine Einzelkür mit hohen Schwierigkeiten. Drei Einradfahrerinnen Anika Schnock, Anissa Wolf und Alba Janssen führten eine Gruppenkür vor, die aus schwierigen Tricks bestand. Markus Janssen als Vater seiner Tochter bereicherte diese Kür durch seine humorige Einlage auf einem Mini-Einrad und erheiterte so das Publikum. Linda Kirner, die dreimalige Deutsche Meisterin im Einrad-Marathon (davon einmal in Weltrekordzeit!) zeigte ihre Fähigkeit in einer originellen Einzelkür.

Die Nachwuchssportler des RMSV im Radball und Einradfahren bekamen so beste Anregungen, wie sie sich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln können.

Auch die Randsportarten innerhalb des RMSV wie „Fahrrad-Langsamfahren“, (wo der Ehrenvorsitzende Werner Schmitt“ fünfmal den Deutschen Meistertitel erringen konnte), „Jedermann-Radrennen“ („L`Étape du Tour“, „L`Eroica“ etc.) und „Brevets-Radrennen“ (z. B. Paris – Brest – Paris) wurden präsentiert.

Neben den sportlichen Darbietungen wurde die wechselhafte Entwicklung des Vereins von 1898 bis heute anschaulich dargestellt. Aus Anlass dieses Jubiläums wurde eine interessante Vereinschronik zusammengestellt. Als Teil der Arbeitersportbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts eröffnete der RMSV und sein nationaler Dachverband RKB Solidarität auch den „einfachen Menschen“ einen Zugang zum Vereinssport. Nachdem das Hochrad durch das heute noch aktuelle Nieder- oder Sicherheitsrad zum Ende des 19. Jahrhunderts abgelöst wurde, stand erstmals auch für die allgemeine Bevölkerung ein preisgünstiges individuelles Beförderungsmittel zur Verfügung, um Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen, sowohl einzeln als vorzugsweise auch gemeinsam mit anderen im Radsportverein. Dies führte dazu, dass der RMSV Anfang des 20. Jahrhunderts 330 Mitglieder hatte. Neben dem Breitensport nahm der Leistungssport einem immer größeren Raum ein. 1925 konnte so Willi Rau bei der Arbeiter-Olympiade in Frankfurt die Goldmedaille im Radrennen erringen.

Eine großen Rückschlag gab es 1933, als aus politischen Gründen der Radsportverband Solidarität und damit auch der Verein RMSV verboten wurden. Der damalige Vereinsvorsitzende Hans Giesen hat mit großem persönlichen Risiko die Spezialfahrräder vor eine Beschlagnahme gesichert und in seinem Keller versteckt. So konnte er am 14. Oktober 1945 mit acht anderen Mitgliedern den Verein neu gründen und nach 12jähriger Pause den Sportbetrieb wieder aufnehmen. Der RMSV hatte es anders als andere Sportler und Sportvereine vorgezogen, nicht zum von den Nazis akzeptierten Konkurrrenzverband BDR zu wechseln, sondern in den „Untergrund“ zu gehen.

Auch nach dem Krieg wurden die sportlichen Aktivitäten behindert da der Deutsche Sportbund für jede Sportart nur einen einzigen nationalen Verband akzeptierte. Die Soli-Vereine und -Sportler durften so nicht am regulären nationalen und internationalen Sportbetrieb teilnehmen, wodurch viele einen Wechsel zum Konkurrenzverband BDR vornahmen. Erst mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde diese Diskriminierung 1977 endlich beendet.

Alle Hallenradsportarten benötigen am Anfang viel Ausdauer und Geduld, bis man sie so beherrscht, um nach etwa zwei Jahren auch an Turnieren oder Meisterschaften teilzunehmen. Dies ist in den heutigen Zeiten sicherlich eine ungleich größere Herausforderung als noch in der Vergangenheit. Dennoch ist es dem RMSV immer wieder gelungen, interessierte Sportler an den Hallenradsport heranzuführen, u. a. auch durch die Aktionen des Sportamtes mit dem Stadtsportbund „Kids in Action“.

Da der RMSV auch weiterhin allen Bevölkerungsgruppen eine Teilnahme am Hallenradsport bieten möchte, sind die Mitgliedsbeiträge seit Jahren unverändert moderat und umfassen auch die Nutzung der vereinseigenen teuren Spezialräder.

Ein unglaublicher Fund!

Ein Mitglied das seit 55 Jahren im Radsport im RKB aktiv ist und als weiteres Hobby die Philatelie hat, ist durch Zufall bei einer Briefmarken-Auktion auf Briefmarken des RKB- bzw. ARB-Solidarität gestoßen. Ihm war bisher – wie wahrscheinlich den meisten (oder allen) Verbandsmitgliedern – nicht bekannt, dass es Briefmarken mit dem Logo der Solidarität gab!

Er hat dann auch den in der Anlage gezeigten Briefmarkensatz ersteigern können:

Erstaunlicherweise gab es eine Reihe von Interessenten, die bereit waren, bis zum Vierfachen des üblichen Preises ähnlicher Marken zu bezahlen. Da der (holländische) Auktionator diese Briefmarken selbst weder kannte noch korrekt zuordnen konnte (bezeichnet als „Saalgau“, gemeint war wohl „Saulgau“) gibt es wohl mehrere Philatelisten, die trotzdem diese Marken unserem Verband zuordnen konnten.

Diese Briefmarken sind – wie viele andere auch – in keinem Ihm bekannten Briefmarken-Katalog aufgeführt. Deshalb konnte er hierzu nur Mutmaßungen basierend auf anderen Unterlagen anstellen:

Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 wurde zunächst für einige Wochen jeglicher privater Postverkehr eingestellt. Mit der Wiederaufnahme des Postverkehrs gab es aber noch keine neuen Briefmarken der sowjetischen, britischen, amerikanischen und französischen Besatzer. So musste man für einige Monate improvisieren. Massenhaft verfügbar waren jedoch noch die Marken des Deutschen Reiches und hierbei insbesondere die Dauermarken mit dem Abbild von Adolf Hitler. Diese wollte man natürlich nicht mehr unverändert verwenden. Deshalb wurden insbesondere die Hitler-Dauermarken in verschiedener Weise überdruckt, so dass das Hitler-Abbild nicht mehr zu erkennen war. Sehr bekannt sind hierbei die sogenannten „Sächsischen Schwärzungen“, wo in ca. 250 Postämtern in Sachsen ca. 250 verschiedene „Schwärzungen“ aufgedruckt wurden.

In vielen Orten der Besatzungszonen wurden ab Mitte 1945 eigenständig neue Briefmarken gestaltet und gedruckt („Deutsche Lokalausgaben ab 1945“). Teilweise wurden auch auf private Initiative lokale Briefmarken gestaltet, sogenannte „Nichtamtliche Ausgaben“, die von den Besatzungsbehörden anschließend offiziell anerkannt (oder toleriert) wurden – oder auch nicht.

In der französischen Besatzungszone (also in Südwestdeutschland) gibt es eine Reihe von Hitlermarken, die mit Orts- oder Regionsnamen überdruckt wurden (Saulgau, Ravensburg, Sigmaringen, Stuttgart, Westerstede etc.). Interessant ist, dass sogar in den von Hitler befreiten Ländern regional ähnlich überdruckte Hitlermarken verwendet wurden, insbesondere in Frankreich (Elsass, Colmar, Forbach etc.), in Polen (Poznan, Gdansk, Ostroleka, Losice, Blonie, Kolberg etc.) und in der Tschechoslowakei (Rumburk, Cheb-Bamberg, Cernosin etc.).

Bekanntlich wurde unser Radsportverband Solidarität im dritten Reich verboten und musste in den Untergrund ausweichen. Für das Naziregime gab es dann nur noch einen einzigen deutschen Radsportverband, den BDR, der so auch nach dem Krieg günstige Startchancen hatte. Die Briefmarken des ARB- (bzw. RKB-) Solidarität müssen Mitte 1945 entstanden sein. Als Sportverband war man eigentlich nicht befugt, selbst Briefmarken herauszugeben, der Staat bzw. die Alliierten hatten ja die Posthoheit. Möglicherweise waren die Alliierten aber aufgrund des ARB-Verbotes durch die Nazis ausnahmsweise bereit, dem Radsportverband Solidarität das Recht zur Ausgabe von eigenen überdruckten Briefmarken (zum Eigenbedarf?) zu gewähren. Wahrscheinlich waren diese bis Frühjahr 1946 in Gebrauch. Vielleicht hat ja noch ein Verein oder ein Mitglied einen gelaufenen Brief mit einer abgestempelten Marke mit dem Solidaritäts-Überdruck?

Kurios ist, dass der Verband ARB-Solidarität Briefmarken mit dem Portrait von Hitler, der ja vorher diesen Radsportverband verboten hatte, verwendet hat – sicherlich mangels Alternativen. Genauso kurios ist, dass auch die von Hitler überfallenen Länder wie die Tschechoslowakei, Polen und Frankreich genauso verfuhren.

Ab dem Frühjahr 1946 wurden dann die neuen Briefmarken der Alliierten in Deutschland bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 verwendet.